IHK-Magazin "Wirtschaftskompass", Ausgabe 09/2023

Kotflügel für den ICE, Seitenwände und Klimarohre für Züge, Sitzbänke für die Berliner U-Bahn: Aus der PMC GmbH im westmecklenburgischen Rehna kommen erstaunliche Produkte. Erstaunlich deshalb, weil sie erheblich weniger wiegen als vergleichbare Teile aus konventionellem Material. Was Fortbewegungsmittel leichter macht, spart Energie, reduziert die CO2-Emissionen und minimiert Kosten. Eine an sich einfache Formel, die Geschäftsführer Frank Jaeckel jeden Tag aufs Neue zu optimieren versucht. Was treibt den 54-Jährigen dazu an? „Der tägliche Wahnsinn“, sagt er spontan, lacht und präzisiert seine Aussage umgehend. „Jahrelang habe ich in der Luftfahrtindustrie gearbeitet. Dort wird jedes Gramm Gewicht auf die zwingende Notwendigkeit hin überprüft. Bei Schienenfahrzeugen ist das noch anders. Ich möchte dazu beitragen, diese leichter werden zu lassen. Dafür sind Faserverbundwerkstoffe das richtige Mittel der Wahl. Wir arbeiten mit dieser zukunftsweisenden Technologie und helfen so, enorme Mengen Kohlendioxid einzusparen. Das treibt mich an.“ Der gelernte Werkzeugmacher, Diplom-Kaufmann und Klebfachingenieur folgt dabei auch seiner Erfahrung, dass es immer einfacher ist, die Technik zu ändern als Menschen zu einer Veränderung zu bewegen. Das Geheimnis seiner favorisierten Werkstoffe besteht in der Verbindung von etlichen Faserlagen unterschiedlichen Materials mit einer Kunststoffmatrix. Diese überträgt die Kraft in eine Richtung und erzeugt so eine riesige Stabilität. „Wir lassen Material da weg, wo es nicht gebraucht wird und fügen es da ein, wo es sinnvoll ist.“ Ob Glasfaser, Naturfasern oder Karbon – die Gewebestrukturen können mit Klebstoffen oder Harzen in unterschiedliche Form gebracht werden. Nach dem Aushärten, beispielsweise in einem der Autoklaven, erweisen sie sich trotz ihrer Leichtigkeit als extrem belastbar. Ein großer Touchscreen lässt Kunden im Entwicklungsbereich des Rehnaer Unternehmens staunen, welche CO2-Einsparung und damit Kostenminimierung eine Gewichtreduktion ermöglicht. 100 Kilogramm weniger Gewicht bedeuten beim Einsatz eines ICE 100.000 Euro Ausgabenminderung. Im Regionalverkehr, in dem Züge häufiger halten und somit öfter wieder anfahren müssen, steigt die Ersparnis schon auf 450.000 Euro. Bei U-Bahnen, die nahezu im Minutentakt stoppen, fallen pro Jahr 300.000 Tonnen Kohlendioxid weniger an, wenn die Züge 100 Kilogramm weniger wiegen. Die finanzielle Entlastung steigt schnell in den zweistelligen Millionenbereich. Die Verantwortlichen der Verkehrsbetriebe haben das offensichtlich erkannt. PMC baut in den nächsten 15 Jahren alle Sitze, die es in den neuen Berliner U-Bahnen gibt, aus dem hauseigenen Verbundwerkstoff. Die Branche blickt durchaus neidisch auf den großen Auftrag, den Frank Jaeckel damit an Land gezogen hat. Diesen Deal hat er langfristig vorbereitet. Im Jahr 2008 legte er den Grundstein für das heutige Werk in der Klosterstadt. Die Projects & Manufacturing in Compositives GmbH (PMC) wuchs kontinuierlich, verfügt aktuell über drei Produktionshallen, in denen 25 Mitarbeiter tätig sind. Mittlerweile verlassen jährlich rund 50.000 verschiedenste Bauteile das Werk Am Kajatz. Neben den Verbundfasern bearbeiten die Mitarbeiter der PMC auch im Metalle im 3D-Druck, veredeln Oberflächen in der eigenen Lackierei und führen statistische und dynamische Prüfungen aus. „In allen Bereichen stehen wir unseren Kunden von der Entwicklung bis zum Finish der jeweiligen Produkte als Ansprechpartner zur Verfügung“, betont der Geschäftsführer. Er ist immer auf der Suche nach neuen Ideen und bindet gern Partner der Forschung ein. Kooperationen gab es in der zurückliegenden Zeit mit den Hochschulen in Wismar und Stralsund sowie dem Fraunhofer-Institut in Rostock. Frank Jaeckel treibt allerdings noch mehr an. Er möchte ein Kompetenzzentrum für Faserwerkstoffe etablieren. Allein im Landkreis Nordwestmecklenburg beziffert der Experte die Zahl der in diesem Segment tätigen Unternehmen auf 25. „Wir können hier ein echtes Cluster über den Bahnmarkt hinaus, entwickeln. Ich betrachte das als Chance, die Region nachhaltig zu entwickeln.“ Denn die faserverstärkten Stoffe bieten noch reichlich Forschungspotenzial und damit ungeahnte Möglichkeiten für ihren künftigen Einsatz. Barbara Arndt Bilder: Barbara Arndt  Alle U-Bahnen in Berlin erhalten in den nächsten Jahren leichte Sitze aus Rehna.  Mit einem eigens gefertigten CO2- Rechner stellt Frank Jaeckel interessierten Kunden die enormen Einsparungspotenziale dar, die durch den Einsatz von Faserverbundstoffen möglich sind.  PMC GMBH Rehnaer U-Bahnsitze für Berlin  Reisen der Zukunft: Mit leichten Komponenten aus Faserverbundstoffen sind immer mehr Züge unterwegs. 6  Wirtschaftsregion Westmecklenburg Wirtschaftskompass 09 | 2023

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