IHK-Magazin "Wirtschaftskompass", Ausgabe 12/2023

Bilder: Titelthema  13 Am 24.10.2023 hat das Bundesministerium Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) seine Industriestrategie vorgestellt. Die bisherige Industriestrategie wurde 2019 von der Vorgängerregierung unter Minister Altmaier veröffentlicht: Weitblickend als Nationale Industriestrategie 2030. Die aktuelle Industriestrategie vermeidet diesen Zeithorizont. Die aktuellen Problemlagen erlauben einzig ein schnellstes Handeln. Sie wurde aber erforderlich vor dem Hintergrund der Energiekrise 2022 sowie der Lieferkettenproblematik und deren erhebliche Auswirkungen auf den Industriestandort Deutschland. Soll die industrielle Produktion in Deutschland noch lohnenswert sein, ist ein umgehendes Handeln mit zukunftsorientierten Maßnahmen dringend erforderlich. Die öffentliche Reduktion der Debatte auf den Industriestrompreis reicht bei weitem nicht. Zu vielschichtig sind die aktuellen und künftigen Herausforderungen: Energiepreise, Rohstoffverfügbarkeit, Lieferketten, Fachkräfteproblematik und Digitalisierung sowie der dringend erforderliche Abbau bürokratischer Hemmnisse sind dabei zentrale Aspekte.  RESSORTÜBERGREIFENDES HANDELN WICHTIG Minister Robert Habeck liefert mit seiner Industriestrategie nunmehr einen sehr umfassenden Diskussionsbeitrag. Leider ist die Strategie bislang nicht in der Regierung abgestimmt. Angesichts der aktuellen schwierigen Situation und der absehbaren Herausforderungen wäre das aus Sicht der Unternehmen jedoch unbedingt erforderlich gewesen. Denn die Zeit drängt. Schnelles Handeln tut not. Stattdessen steht infrage, was wie und ab wann wirklich von dem umgesetzt wird, was das BMWK formuliert hat.  WERTSCHÄTZUNG FÜR INDUSTRIE Immerhin: Das BMWK hebt die zentrale Bedeutung der Industrie hervor. Neben der ökonomischen Bedeutung der Primärwertschöpfung trägt die Industrie entscheidend zum sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft bei. Die Industrie ist nicht nur Arbeitgeber und Auftraggeber für viele Bereiche der Wirtschaft. Sie liefert einen unerlässlichen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das BMWK bietet eine sehr umfassende Analyse der aktuellen Herausforderungen. Das klare Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland, zum industriellen Mittelstand ebenso wie zur Groß- und zur energieintensiven Grundstoffindustrie fehlt aber. Die seit Ausbruch der Corona-Pandemie und der unmittelbar anschließenden Energiekrise schwierige wirtschaftliche Situation macht es aus Sicht der Unternehmen erforderlich, neben der Klimapolitik, Maßnahmen für eine bessere Wirtschaftsentwicklung klar zu priorisieren. Und das betrifft alle Industrieunternehmen, nicht nur die oftmals zitierten Großverbraucher!  KONSEQUENZ FEHLT Hier bedarf es insofern dringend einer Neujustierung. Dem wird das vorgelegte Papier jedoch kaum gerecht. An verschiedenen Stellen gibt es deutliche Formulierungen zum Bürokratieabbau. Diese Linie verfolgt das Papier aber nicht konsequent. Mit seinen vielen Vorgaben und Auflagen steckt es hier sogar voller Widersprüche. Den Unternehmen erkennbare Perspektiven der Wirtschaftspolitik aufzeigen, einen klaren Fahrplan und Verlässlichkeit, vor allem aber mehr Freiraum, um die für ihre Herausforderungen notwendigen Anpassungen effizient angehen zu können.  EUROPA IM BLICK Die deutsche Industrie muss sich weiterhin im weltweiten Wettbewerb bewähren können. Deshalb muss eine Strategie neben dem deutschen und dem europäischen Binnenmarkt unmittelbar die Weltmärkte mit im Blick behalten. Mit dem Hinweis auf eine strategische Industriepolitik in der Zeitenwende und der notwendigen europäischen Ausrichtung ist es nicht getan. Der von der EU ausgerufene Green Deal muss sich in eine strategische Industriepolitik einpassen und notfalls nachjustiert werden. Die notwendige Stärkung der Standortbedingungen darf nicht zu einem Subventionswettbewerb der Energiepreise der Mitgliedsstaaten der EU führen. Vielmehr muss sich das BMWK fragen, wie die Energiesicherheit und Preisgünstigkeit am hiesigen Standort und im Energielieferungsverbund mit den EU-Staaten zukunftsorientiert gestaltet werden kann.  AMPEL MUSS LIEFERN Langatmige Diskussionen sägen am Fundament der Industrie. Im Mittelpunkt steht die Industrie in der Breite, auch alle klein- und mittelständische Unternehmen, der Mittelstand. Die zweite Halbzeit der Ampelregierung wird herausfordernd und muss schnell Ergebnisse liefern: Planungs- und Genehmigungsbeschleunigungen, Digitalisierung aller Prozesse im Verwaltungsverkehr und ein radikaler Abbau bürokratischer Hemmnisse.  DEFIZITE ZÜGIG ABBAUEN Lippenbekenntnisse hierzu hört die Wirtschaft seit vielen Jahren und wird mit immer neuen Vorschriften konfrontiert. In der Vergangenheit verschleppte Verschlankungen und auch die offenkundigen Defizite im Infrastrukturausbau sind zentrale Ansatzpunkte, schnell sowie zielorientiert und mit Hochdruck zu arbeiten! Verzögerungen oder gar zusätzliche Belastungen würden das Fundament der deutschen Industrie untergraben. Eine Industriestrategie des BMWK, die vieles Richtige aufführt, aber keine zügige Umsetzung zeigt, wäre eine verfehlte Strategie. Dazu gehört auch, dass die Bildung von Energiepartnerschaften weiterverfolgt und zügig neue Handelsverträge zwischen Europa und Mercosur abgeschlossen werden. Bild: Pixabay IHK ZU SCHWERIN Klaus Uwe Scheifler  0385 5103-301 scheifler@schwerin.ihk.de Wirtschaftskompass 12 | 2023

RkJQdWJsaXNoZXIy MTkyOTU0Ng==