IHK-Magazin "Wirtschaftskompass", Ausgabe 09, 10/2024

Dem Problem, dass die Netze im Mittelspannungs- und Hochspannungsbereich nicht dem Solarboom gewachsen sind, will die Bundesnetzagentur offenkundig mit Abschaltungen begegnen! Neue Solaranlagen sollen steuerbar geschaltet werden. Auf den Markt müsse durch den Stopp der Einspeisungen reagiert werden, wenn niemand den Grünstrom brauche. Wenn in den kommenden Jahren in allen Haushalten und allen Unternehmen intelligente Stromzähler mit einer digitalen Anbindung eingebaut werden, könnten flächenweit Abschaltungen drohen. Zugegeben, bei kritischen Netzsituationen Solaranlagen zu steuern, kann erforderlich werden. Bei Windenergieanlagen ist dies gängig Praxis. Das Ergebnis dieser Debatte wird eher verheerend. Bereits jetzt werden erhebliche Leistungen abgeregelt, der mögliche Grünstrom also nicht erzeugt.  NUTZEN STATT ABREGELN Die aktuelle Diskussion findet bei der Bundesnetzagentur und auch bei Netzbetreibern Zustimmung. Unkontrollierte Umsetzungen dieser Überlegungen wären jedoch fatal. Bereits in der Norddeutschen Wasserstoffstrategie und in dem Industriepolitischen Konzept M-V 2030 wurde klar gefordert: Nutzen statt abregeln! Grünstrom Made in MV im Land zu nutzen kann auf vielfältige Weise erfolgen. Bewährte Technik dabei ist, die Umwandlung des Grünstroms, den keiner haben will, in speicherfähige Medien. Mehr Elektrolyseure könnten landesweit aufgebaut werden. Aber nach Auskunft der Landesregierung wurden seit 2024 nur 2 Megawatt Elektrolyseleistungen aufgebaut! Viel zu wenig, um den so erzeugten Wasserstoff zu speichern und dann zu nutzen, wenn kein Solarstrom erzeugt wird. Derzeit ist nicht erkennbar, welche Anstrengungen unternommen werden, aus dieser Zwickmühle erfolgreich herauszukommen. Teure Elektrolyseurtechnik – durch Netzentgelte und anderen Umlagen und Steuern, teurer Grünstrom treiben den Preis für Wasserstoff nach oben. Die Anschaffung und Unterhaltung eines CO2-freien und mit Wasserstoff angetriebenen LKW, Bus oder PKW ist ohne Lenkungsfinanzierung nicht darstellbar. Ein Umdenken erscheint dringend erforderlich! Nur so kann verlässlich kalkuliert und Zukunftsinvestitionen in Gang gesetzt werden. Nutzen statt abregeln – systemdienliche Elektrolyseure sind ein zukunftsfähiger Weg, welcher strategisch in die Umsetzung begleitet werden muss, auch von der Politik! Gewinner wäre das ganze Land MV.  ANWENDERSEITE BEGLEITEN Ab 2029 will das Land MV den Nahverkehr neu ordnen. An erster Stelle trifft dies sicherlich den Gleisausbau, aber auch die Linienbestückung und Taktung. Aber auch der weite Blick in die Zukunft darf nicht fehlen. Im vergangenen Jahr verkündete das für Verkehr auch zuständige Wirtschaftsministerium die Linienerweiterung von Rehna über Parchim bis nach Waren. Eine landschaftlich reizvolle Tourismusregion, die mit veralteten dieselbetriebenen Triebwagen erkundet wird. Wurde hier eine Chance verpasst, Empfehlungen aus einer Studie aus dem Jahr 2019 umzusetzen: Einsatz von CO2-neutralen Triebwagen mit Wasserstoffantrieb. Beides – moderne klimafreundliche Züge und Tourismus wären ein sehr guter Marketingansatz. Volkswirtschaftlich könnte Grünstrom Made in MV umgewandelt werden in Wasserstoff zur Verwendung vor Ort! Ein Baustein mehr für einen Wasserstoffhochlauf. Wenn nun in MV ab 2029 der Nahverkehr neu geordnet werden soll, darf nicht einseitig auf eine Technologie gesetzt werden. Die Bevorzugung der einen ist der Nachteil der anderen! Eine CO2-neutrale Mobilität und technologieoffen wurde schon 2018 dringend vorgeschlagen. Hinzu kommt die Betrachtung der Wiederverwertung der Züge nach der Nutzungsdauer, wobei das Recycling von Akkus unklar ist. Andere Bundesländer machen es vor!  INFRASTRUKTURAUSBAU Zu den essentiellen Bedingungen des Markthochlaufes braucht es die notwendige Infrastruktur. Bundesweit rund 660.000 Kilometer Gasleitungen, die zumindest im Norddeutschen Raum oftmals wasserstoff-ready sind. Mindestens 30 Prozent Wasserstoffanteil vertragen die Gasnetze. Das ENBW-Projekt „WasserstoffInsel-Öhringen“ 2021 war und ist erkenntnisreich: Die geplante Beimischung und der schwankende H-2-Anteil war erfolgreich. Ein erheblicher Beitrag also zur Reduzierung des Gasverbrauchs und damit der CO2-Emissionen. Eine Große Speicher- und Nutzungsreserve, die an den richtigen Stellen zu ertüchtigen wäre. Was fehlt sind, die Wasserstoffautobahnen – die Wasserstoffhochdruckleitung. Gerade hier scheint Mecklenburg-Vorpommern und insbesondere das mittlere und westliche Mecklenburg ins Hintertreffen zu gelangen. Der Antrag vom 22.07.2024 der Fernnetzgasbetreiber ist mehr als ernüchternd. Übrig geblieben von den damaligen Plänen, zwei Leitungen von Rostock und Lubmin nach Süden mit einer Querverbindung über Güstrow, Schwerin und Kraak weiter nach Westen, wurde deutlich reduziert. Somit gäbe es keine Anbindung Westmecklenburgs, nur eine Leitung von Lubmin nach Süden, von Rostock aus eine Querverbindung an die Gascade-Leitung aus Lubmin. Der Betreiber Ontras hatte die Westlichen Anbindung schlicht gestrichen, und dass trotz der hohen IPCEI-Förderzusagen. Der Bescheid wurde kurz zuvor übergeben! Die drei IHKs in MV hatten sich mit dem Wirtschaftsministerium abgestimmt und vehement gegen diese Reduzierung protestiert, auch die DIHK hatte dies mit aufgenommen in die zentrale Stellungnahme aller IHKs in Deutschland. Der Ausgang der Antragsprüfung durch die Bundesnetzagentur ist offen. Zielstellung muss sein, die Vision des Gasnetzbetreibers Hansewerk in die Umsetzung zu bringen. Die beantragte Neubauleitung muss nach Westmecklenburg fortgeführt werden. Aber bereits jetzt zeigt sich: Die Herstellung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse rückt so in weite Ferne! Die Wirtschaft im mittleren und westlichen Mecklenburg sind faktisch abgeschnitten vom Markthochlauf Wasserstoffwirtschaft mit Direktbezugsmöglichkeiten. Umso wichtiger daher, kleinteiligere Insellösungen landesweit klug in Gang zu setzen! Hier ist die Politik nicht nur auf Landesebene gefragt. Was fehlt sind, die Wasserstoffautobahnen ... Gerade hier scheint MecklenburgVorpommern und insbesondere das mittlere und westliche Mecklenburg ins Hintertreffen zu gelangen. Existenzgründung & Unternehmensförderung  31 Wirtschaftskompass 09 | 10 | 2024

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