Ursprünglich in Hagenow gegründet und dort über 100 Jahre ansässig, verlor die Familie Hildebrandt vor dem Hintergrund der sozialistischen Planwirtschaft in der DDR zunehmend den Zugriff auf ihr Eigentum. Mit der Errichtung des Kabelwerks in Schwerin in den 1960er Jahren wurde angeordnet, dass das Sägewerk auch Kabeltrommeln für den großen Industriebetrieb fertigen sollte. 1972 erfolgte die endgültige Verstaatlichung gegen den Willen der Eigentümer. Der Vater der heutigen Geschäftsführergeneration blieb zunächst Betriebsleiter, bekam aber, weil er nicht der SED beitreten wollte, zunehmend Probleme und wurde schließlich 1985 entlassen. Diese Entwicklung hat die Familie sehr stark geprägt. WENDEZEIT Sabine von Köppen, Tochter des damaligen Eigentümers, ist heute zusammen mit ihrem Bruder Mathias Lohraff Geschäftsführerin und zugleich Gesellschafterin der August Hildebrandt GmbH. Sie beschreibt die wechselvolle Geschichte des Unternehmens auch anhand ihrer eigenen Biographie: „Ich bin in Hagenow geboren und aufgewachsen, habe zu DDR-Zeiten Abitur gemacht. Die Wende hat unsere Familie als echte Befreiung und einen Neuanfang erlebt. Für uns war schnell klar, dass wir das Unternehmen zurückhaben wollen.“ Die Rückübertragung erfolgte Anfang 1990 noch unter der letzten SED-Regierung. Das Unternehmen hatte damals ca. 30 Mitarbeiter. Dieser Prozess verlief keineswegs reibungsfrei, wie sich von Köppen erinnert: „Mein Vater kam ja in das Unternehmen als Inhaber zurück und traf auf die Leute, die ihn fünf Jahre zuvor entlassen hatten. Man hat dann vernünftige Regelungen gefunden, aber eine weitere Zusammenarbeit war aufgrund der schwierigen Vergangenheit schlicht nicht mehr denkbar.“ 1990ER JAHRE: WEG IN DIE MARKTWIRTSCHAFT UND UNGEWÖHNLICHE EXPANSION Von Köppen blickt auch zurück auf die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung: „Es war damals klar, dass das Unternehmen wachsen soll. Der Standort in der Hagenower Innenstadt platzte damals aus allen Nähten. In Schwerin-Sacktannen hatte Siemens eine neue Halle auf dem Gelände des Kabelwerks errichten lassen und meinem Vater das Angebot unterbreitet, für das Kabelwerk die entsprechenden Trommeln vor Ort zu fertigen.“ So zog die August Hildebrandt GmbH von Hagenow nach Schwerin und begann rasch zu expandieren. Dabei profitierte das Unternehmen auch von einer Outsourcing-Welle, durch die Betriebsteile großer Kabelhersteller zum Verkauf angeboten wurden. Ab 1995 wurden Standorte u.a. in Hannover und Mönchengladbach übernommen. Diese Entwicklung war durchaus ungewöhnlich, denn „als ostdeutsches Unternehmen war es eigentlich unvorstellbar, westdeutsche Betriebsteile zu kaufen“, wie sich von Köppen erinnert. Sie betont auch die großen Risiken, die ihre Familie damals bereit war einzugehen, um das Unternehmen auf Wachstumskurs zu bringen. Insbesondere die Finanzierung von Investitionskrediten durch die Banken stellte damals eine enorme Herausforderung dar: „Aus heutiger Sicht würde ich sagen, das war leichtsinnig. Unter Risikogesichtspunkten würden wir das heute nicht mehr so machen. Aber es war eine andere Zeit damals. Wir waren euphorisch und vielleicht auch naiv. Allein die Sicherheiten: Wir haben wirklich alles bis aufs letzte Hemd an die Banken übertragen.“ ÜBERGABE DER GESCHÄFTSFÜHRUNG UND NEUAUSRICHTUNG Dass Sabine von Köppen einmal die Nachfolge ihres Vaters in der Geschäftsführung des Familienbetriebes antreten würde, war keineswegs ausgemacht. Nach der Wiedervereinigung studierte sich zunächst Jura in Göttingen und arbeitete dann eine Zeit lang in einer Hamburger Wirtschaftskanzlei. Doch irgendwann zog es sie doch wieder zurück in die Heimat, auch um sich beruflich weiterzuentwickeln: „Dadurch, dass ich in meinem Beruf mit vielen Unternehmen zusammengearbeitet hatte, kam in mir der Wunsch auf, die Seite zu wechseln und selber was aufzubauen.“ 2008 wechselte von Köppen in das Familienunternehmen. Damit folgte sie ihrem Bruder, einem ausgebildeten Sägewerksmeister, der zuvor ebenfalls verschiedene berufliche Stationen in Deutschland absolviert hatte, ehe er nach Schwerin zurückkehrte. Beide strebten zusammen die Unternehmensnachfolge des Vaters an. Ein Prozess, der sich keineswegs einfach und reibungslos gestaltete, wie Sabine von Köppen betont: „Mir und meinem Bruder war es immer wichtig, gemeinsam zu arbeiten. Er kommt aus dem technischen Bereich und ich mehr aus dem kaufmännischen. Für uns war das eine ideale Kombination." Beide setzten unter anderem auf die Neuausrichtung Die August Hildebrandt GmbH mit Sitz in Schwerin ist ein echtes Familienunternehmen, das bereits seit 1868 existiert und heute in fünfter Generation geführt wird. Nach der Wende kam das Unternehmen zurück in Familienhand und wurde zu einem ostdeutschen Vorzeigeunternehmen, das heute internationaler denn je agiert. IHK ZU SCHWERIN Dr. Wolf-Rüdiger Knoll 0385 5103-208 knoll@schwerin.ihk.de Kabeltrommeln für den Strom der Zukunft Hier gibt es echte Standortvorteile durch kurze Wege. Sabine von Köppen 8 Wirtschaftsregion Westmecklenburg Wirtschaftskompass 03 | 04 | 2025
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